TERRA-Online / Gymnasium


Die WASP-Kultur


White Anglo-Saxon Protestants (WASP), Gesellschaft, Einwanderung, ethnische Gruppen, Individualismus, Privatsphäre, Thomas Jefferson, Benjamin Franklin

Der wesentliche Einfluss auf Wert- und Lebensvorstellungen der amerikanischen Gesellschaft ging von den White Anglo-Saxon Protestants aus. Die WASP-Kultur galt geradezu als Leit- und Vorbild im privaten wie im öffentlichen Bereich. Die Einwanderer aus aller Herren Länder kamen in der Regel nach Amerika, nicht um die amerikanische Welt nach eigenen Ideen zu verändern, sondern um an ihr teilzuhaben und sich tunlichst einzugliedern. WASP-Kultur beschreibt also nicht die Eigenart einer der vielen ethnischen Gruppen in der "pluralistischen" Gesellschaft Amerikas, sondern gilt als die maßgebliche Weltanschauung und Lebensweise in diesem Lande.

In den USA waren die WASPs, darunter die kleine, aber sehr einflussreiche religiöse Gruppe der Puritaner, ohne jeden Zweifel die selbst ernannte Elite im Lande, die den Kulturkanon der USA schuf und ihn mit glorifizierenden Mythen verbrämte: z. B. das Schiff Mayflower, die Landung auf Plymouth Rock, das erste Erntedankfest (Thanksgiving), die neuenglische Gemeinde, die Boston Teaparty (the shot that was heard around the world). ... Die dominierende Rolle der WASPs und ihr Führungsanspruch gründeten sich nicht in erster Linie darauf, dass diese zeitlich gesehen zufällig die ersten permanenten Siedler in Neuengland gewesen waren, sondern vielmehr auf ihre unerschütterliche kalvinistische Überzeugung, "das auserwählte Volk vor Gott zu sein". R. Nash nennt sie "self-styled agents of God" ...: Das erlaubte ihnen die Überzeugung von der eigenen Überlegenheit gegenüber den anderen, den "Verdammten". Sie waren vollkommen von der gottgegebenen Richtigkeit ihrer Ideen, Vorstellungen und Vorurteile überzeugt. In einzigartiger Selbstgerechtigkeit und Kulturarroganz beharrten sie auf ihren Werten als den einzig richtigen Prinzipien der Staats-, Zivilisations- und Lebensordnung Amerikas. Ihre Kultur allein sei der "Stempel des amerikanischen Nationalcharakters" ..., der "nur so und nicht anders" weitergegeben werden müsse und dem sich die "unamerikanischen Einwanderer" anzupassen hätten. Die WASPs verstanden es, ihre Wertvorstellungen gezielt mit Hilfe fest institutionalisierter Einrichtungen dem neuen Lande permanent aufzuprägen, z. B. in der Verfassung, der Bill of Rights, dem Schulwesen, den Gemeinde-, Steuer- und Rechtsordnungen (und Rechtstraditionen) sowie vor allem im propagierten Kulturkanon einschließlich Literatur, Traditionsübermittlung und "Lebensführung".

Wichtigste Prinzipien und Werte der WASP-Kultur sind:
  1. Individualismus und Anspruch auf Privatsphäre und Eigeninteresse (privatism), d.h. persönliche Freiheit und Unabhängigkeit (independence), Selbstverwirklichung (self-expression ...: "what feels right") und ökonomische Selbständigkeit (... self-reliance);

  2. zivile Tugend (civic-mindedness, civility), d. h. freiwilliges Akzeptieren von Regeln im Rahmen einer gemeingültigen Ordnung, und zwar sowohl im puritanischen Sinne der "corporate interdependence under God"; als auch politisch im JEFFERSONschen "civic virtue of republicans"; dabei wird Pluralismus der Gesellschaft "indifferent toleriert", Gemeinschaftsgeist gegenüber den Schwächeren als Mildtätigkeit, nicht als soziale Verantwortung empfunden, jedoch bewusste Unterordnung unter demokratische Mehrheitsbeschlüsse zugunsten eines zivilisierten Gesamtverhaltens praktiziert (civilized behavior);

  3. Arbeitsethos und Pragmatismus (utilitarianism, BENJAMIN FRANKLIN: "what works"), d.h. Arbeit als Pflicht, pragmatische Nüchternheit zur Erreichung des Zieles und materieller Erfolg (vor allem Besitz) als sichtbare (und verdiente) Belohnung.
In der amerikanischen Gesellschaft gelten bis heute die Unantastbarkeit des Lebens (life) und der persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit des Einzelnen (liberty) als höchste Werte. Weitere Grundlage der amerikanischen Lebensordnung, also des "American way of life", ist das unantastbare Recht zur Selbstentfaltung und zum Durchsetzen der eigenen Ansprüche im Streben nach persönlichem Glück und Erfolg, vor allem aber nach materiellem Gewinn und Besitz ... Erst die endgültige, von THOMAS JEFFERSON überarbeitete Version der Unabhängigkeitserklärung hatte z.B. das ursprünglich vorgesehene dritte Grundrecht (neben life und liberty), nämlich Besitz (property), mit den Worten pursuit of happiness, also Streben nach Glück, ersetzt bzw. umschrieben. Gemeint war ohne Zweifel trotzdem das Recht, nach eigenen Besitz zu streben.


Quelle: Stadtland USA: Die Kulturlandschaft des American Way of Life
Autor: Lutz Holzner
Verlag: Klett-Perthes
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 1996
Seite: 17-21 (stark gekürzt)
Bearbeitungsdatum: 12.05.2006
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